Es kommt selten vor, dass ein Gartenbuch in mir den Wunsch hervorruft, den Autor kennenzulernen, aber bei einem war der Wunsch dringend. Er wurde jetzt erfüllt. "Hier wächst nichts", heißt sein Buch. Das Cover zeigt etwas Trauriges, Trockenes, das ein Rasen sein soll, und darauf zwei Gartenstühle mit einer Ausstrahlung von tiefer Verlorenheit: Niemand sitzt hier. Warum auch.
"Notizen aus unseren Gärten" werden hier erzählt, und zwar von einem Staudenspezialisten namens Jörg Pfenningschmidt und seinem Koautor Jonas Reif, und man muss den braven Ulmer Verlag dafür loben, dass er sich das traut. Das Buch steht dann ja (hoffentlich) im Buchladen zwischen Blütenräuschen, Bienenfreundschaftsbüchern, Countrygarten-Delirien, und es erzählt Geschichten. Was einer wie Pfenningschmidt eben so erlebt, der anderer Leute Garten oder Grünanlage gestaltet, und was er sich dabei denkt. Über Angst-Eltern zum Beispiel, die in jeder Knallerbse eine Kinderkillerpflanze sehen. Über den Schottergarten im Wandel der Jahreszeiten, oder über "Straßenbegleitgrün" im öffentlichen Raum, diese "Sättigungsbeilage" aus armseligen Gehölzen, die nur da ist, um ein amtliches "Wir kümmern uns" vorzutäuschen. So steht das bei ihm im Buch.
Ein Gärtner gegen die immerschöne Landlustromantik
Pfenningschmidt, 59, stellt sich heraus als ein Mensch, der zurzeit keinen eigenen Garten hat, was ihm nicht fehle, und einen beinahe perfekten Aprikosenkuchen backen kann. Außerdem hat er mal Germanistik und Geschichte studiert. Er kann sehr schön vom Garten seiner Eltern erzählen, den er als wachsendes Elend erlebt hat – erst, in den Sechzigerjahren, noch mit Obstbäumen und Beerensträuchern neben Rasen, Cotoneaster und Serbischer Fichte. Dann aber verflog die Erinnerung an Hunger und Not, die Einmachgläser im Keller verschwanden, Obstbäume und Beerensträucher kamen weg. Dafür wurde es pflegeleicht, so dachte man jedenfalls, mit noch mehr Serbischer Fichte. Es blieb aber genug Arbeit übrig, um dem jungen Jörg den Garten zu verleiden.
Er muss sich dann aber, so erzählt er beim Kuchen im Hamburger Nordosten, in fremder Leute Blumen verguckt haben, ist irgendwie über Aquarienbepflanzung in die Gartenbepflanzung gedriftet, wurde Gartengestalter mit Schwerpunkt Staudendesign und wagt inzwischen, sich Gärtner zu nennen. Ein Gärtner allerdings, der sich gegen die immerschöne Landlustromantik stellt. Nein, es macht nicht immer Spaß. Nein, die pastell fotografierte Dame mit Hut und Handschuhen, die angeblich von ihrem Landleben erzählt, hat sicher nicht selbst den Löwenzahn aus der Erde geholt. Nein, die vegane Freundin kann ihren Prinzipien nicht treu bleiben, wenn im Salat die Schnecken hängen.
In meinem Garten bestimme ich, was wächst? Eine Illusion
Pfenningschmidt reagiert allergisch auf Barockgitarren oder zwitschernden Vivaldi, zu dem sich bei Gartensendungen im Fernsehen gern die Wiesenblumen wiegen. Er hält solches Fernsehgärtnern für Verklärung, nicht für Praxis. In den Vorgärten wuchern ja tatsächlich nicht Wiesenblumen, da herrscht eher Formschnitt, er kann es bei einem Gang durch die Vorstadt zeigen.
Warum eigentlich? Warum der streng geschnittene Taxus, warum die Gabionenmauer, warum der Schottergarten, der den heimkehrenden Menschen abends in seiner Vorstadtsiedlung begrüßt?
Weil, meint Pfenningschmidt, es wohl die Sehnsucht nach Kontrolle gibt: Wenn ich mich schon tagsüber bei der Arbeit schubsen und fremdbestimmen lassen muss – in meinem Garten bestimme ich, was wächst und was nicht. Eine Illusion, meint er und glaubt im Übrigen: "Das mit den Schottergärten erledigt sich von allein." Er hält da nichts von Verboten. Nach ein, zwei Jahren hätten die Leute erlebt, wie sich der Löwenzahn durchs Schotterbeet bohrt. Wie sich robuste Gewächse ansiedeln, Pionierpflanzen wie Birken zum Beispiel, die der Wind heranweht: "Warten Sie's ab."
Man kann Pfenningschmidt als einen Pflanzenrechtler verstehen. Als einen, der die Ansprüche von Pflanzen verstehen und ihnen gerecht werden will; manchem Hobbygärtner, meint er, sei dieses Denken fremd. Reden wir also über Ansprüche: Warum geht mir, in meinem Garten, dauernd der Rittersporn ein? Was rät er? Was soll ich tun? "Vergessen Sie's. Nehmen sie die Baptisia australis." Ich will aber Rittersporn. "Vergessen Sie's. Ja, der stand früher in jedem Bauerngarten. Aber da war auch noch die Oma da und goss."
August 03, 2020 at 12:44AM
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Der Wurm drin - die Gartenkolumne: Freiheit für die Knallerbse! - DER SPIEGEL
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