Stand: 05.07.2020 06:00 Uhr - NDR 1 Welle Nord
von Veronika Sawicki
Ein wolkenfreier Himmel an einem warmen Sommernachmittag: Eine endlose Weite aus symmetrisch angelegten Kleingärten ziert den Horizont - sattes Grün, so weit das Auge reicht. In der Ferne ertönt der Klang einer Motorsäge. Der Geruch von Grillkohle liegt in der Luft. Imke Oostlander und Lukas Weißbach lehnen sich auf ihrer selbstgebauten Hollywoodschaukel zurück. Die beiden Kleingärtner wollen sich gleich noch das Beet mit dem Mangold vorknöpfen, denn am Abend kommt Salat auf den Tisch.
Gewöhnliche Schrebergarten-Idylle? Nicht ganz. In ihrer Parzelle in der Kleingartenanlage Dubenhorst in Kiel wühlen zusammen mit dem studentischen Paar regelmäßig noch weitere Menschen in der Erde. Das Ganze nennt sich Garten-Sharing.
Garten-WG als Alternative zu eigenem Garten
Imke und ihr Freund schätzen die besondere Atmosphäre einer Kleingartenkolonie. Mitten in der Stadt, aber doch irgendwie auch in der Natur. Ein Rückzugsort, um dem Uni-Alltag und der kleinen Wohnung zu entfliehen, aber nicht allzu weit weg von Zuhause. "Ich bin mit einem Garten aufgewachsen. Das hat mir in der bisherigen Studienzeit immer sehr gefehlt", erzählt Lukas. Deshalb hat das Paar vergangenes Jahr im Frühjahr beschlossen, sich einen Schrebergarten zuzulegen.
Allerdings schwirrten den zwei Studierenden dabei drei Dinge im Kopf herum: So ein Garten kann ganz schön viel Geld kosten - Imke und Lukas zahlen etwa 270 Euro pro Jahr an den Kleingartenverein, dazu kam ein Abschlag von 2.000 Euro für den Vorpächter. Außerdem ist eine Parzelle schwer zu bekommen und macht ordentlich Arbeit. Also überlegten sie hin und her und hatten eine Idee: Eine Wohnung kann man sich doch als Wohngemeinschaft teilen, warum also nicht auch einen Garten?
Garten-Sharing - ein Trend aus der Großstadt
Mehrere Personen bilden eine Gartengemeinschaft und teilen sich eine Parzelle - das Phänomen Garten-Sharing hat seinen Ursprung in urbanen Räumen, in hippen Großstädten wie Berlin. Auch im vorwiegend ländlichen Schleswig-Holstein ist das Garten-Sharing inzwischen angekommen. Im Internet gibt es eine ganze Reihe an Plattformen, auf denen Kleingärtner und gartenlose Garten-Fans mittels Anzeige und Gesuch zusammenfinden können.
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Der Kleingärtnerverein Kiel kann zwar nicht bestätigen, dass es ein erhöhtes Aufkommen an solchen Gartengemeinschaften gibt. Allerdings gibt es dort auch nur Einzelpachtverträge, also pro Parzelle einen Pächter beziehungsweise Ansprechpartner. Deshalb lässt sich das nicht so gut nachvollziehen. Imke und Lukas berichten aber, dass in ihrer Gartenkolonie zahlreiche Garten-WGs existieren - weitere Studierende, Mütter mit ihren Kindern und ältere Herrschaften. "Es ist auf jeden Fall ein Trend", ist sich Imke sicher.
Zukunftsforscher: Garten-Sharing wird zunehmen
Zukunftsforscher Prof. Dr. Ulrich Reinhardt von der Fachhochschule Westküste in Heide beobachtet seit Jahren eine Zunahme des sogenannten Urban Gardening, also des Gärtnerns in der Stadt. "Im Zuge einer zunehmenden Urbanisierung der Städte und dem Zusammentreffen von immer mehr Menschen auf engstem Raum wächst die Sehnsucht nach mehr Beständigkeit und Ruhe sowie der Möglichkeit, selber etwas zu schaffen", erläutert er. Das Garten-Sharing ist quasi die nächste Stufe. Reinhardt geht davon aus, dass es in Zukunft noch populärer wird.
Gemüsevielfalt wie aus dem Supermarkt
Wie haben Imke und Lukas mit dem Garten-Sharing angefangen? Zunächst haben sie über eine Kleinanzeigen-Plattform im Internet den Garten organisiert und sich dann auf die Suche nach Mitstreitern begeben. An der Uni sind sie schnell fündig geworden. Inzwischen sind sie zu siebt. Ihr Garten orientiert sich an den Vorgaben des Vereins: Ein Drittel der Fläche ist für die kleingärtnerische Nutzung vorgesehen.
Wenn die Kleingärtner aufzählen, was sie alles anbauen, hört sich das an wie ein Auszug aus der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarkts: Erdbeeren, Himbeeren, Mangold, Zucchini, Kürbis, Karotten, Kartoffeln, Mais, Salat, Rosenkohl, Erbsen, Gurken, Zwiebeln, Knoblauch und diverse Kräuter. "Letzten Sommer konnten wir jeden Tag etwas mitnehmen. Es ist reichlich vorhanden", sagt Imke.
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Drei Bienenvölker im Garten
Der Garten war ein Glücksgriff. "Jetzt in der Corona-Zeit hat sich das richtig gelohnt", sagt Lukas. In diesem Zeitraum konnten die Garten-Enthusiasten mehrere Projekte umsetzen: Sie haben eine Hollywoodschaukel selbst gebaut, einen kleinen Teich als Vogeltränke angelegt und eine Gartenbank abgeschliffen. Besonders stolz sind sie auf ihre drei Bienenvölker, denn einer ihrer Mitnutzer hat ein wenig Erfahrung mit dem Imkern und hat im Garten in liebevoller Eigenarbeit ein Zuhause für sie geschaffen.
"Man sieht hier jetzt wieder mehr Bienen", sagt Imke. Ob sie stören? Ganz im Gegenteil. Alle aus der Gemeinschaft hoffen auf noch mehr blühende Pflanzen.
Harmonisches Miteinander ohne Streit
In WGs kann es manchmal durchaus Reibereien geben. Streitigkeiten oder Uneinigkeit kennt die Garten-WG aber nicht. "Jeder macht so viel, wie er möchte", erzählt Imke. Es teile sich alles von ganz allein auf. Für die Gemeinschaftsarbeit in der Kolonie findet sich immer jemand. Wenn größere Arbeiten anstehen, wie zum Beispiel das Entrümpeln der Hütte, verabreden sie sich mit den anderen Nutzern.
Wenn einer den Garten mal alleine nutzen möchte, ist das auch kein Problem. Kosten werden fair geteilt: Die Kleingärtner notieren in einer App, wer welche Ausgaben in Zusammenhang mit dem Garten getätigt hat, und zum Jahresende machen sie einen Kassensturz. "Bei uns ist alles total harmonisch", schwärmt Imke. Ein richtiger Glücksgriff eben.
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July 05, 2020 at 11:00AM
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Schrebergärten: Garten-Sharing liegt im Trend - NDR.de
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